Die Roboterhand, die sehen und fühlen kann: Daimon Robotics präsentiert die DM‑Hand1

Einleitung
Roboter, die präzise greifen und gleichzeitig Oberflächenstrukturen ertasten können, galten lange als ferne Zukunftsvision. Mit der DM‑Hand1 von Daimon Robotics aus Shenzhen rückt diese Vorstellung jedoch in greifbare Nähe. Das Unternehmen hat eine Roboterhand entwickelt, die durch eine Kombination aus hochdichter Tastsensorik und feinfühliger Kraftregelung neue Maßstäbe in der Automation setzen möchte. Die Fingerspitzen dieser Hand sind in der Lage, gleichzeitig zu sehen und zu fühlen – ein technologischer Fortschritt, der sowohl in der Industrie als auch in der Forschung enormes Potenzial entfalten könnte.

Technologische Besonderheiten und Aufbau
Im Mittelpunkt der Entwicklung steht eine Konstruktion mit 12 Gelenken, von denen sechs motorisch bewegt werden. Die übrigen sechs sind passiv über Federn gelagert, was der Hand Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bei unterschiedlichen Greifbewegungen verleiht. Ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal ist die visionbasierte Tastsensorik in den Fingerspitzen. Diese Sensorhaut erreicht mit 40.000 Tastpunkten pro Quadratzentimeter eine Auflösung, die mehr als doppelt so hoch ist wie bei westlichen Vergleichssystemen wie GelSight. Diese hohe Dichte erlaubt es, feine Details wie Texturen, Härtegrade oder Mikroveränderungen in der Oberflächenhaftung („Slippage“) in Echtzeit zu erfassen.

Reaktionsgeschwindigkeit und Präzision
Die Fähigkeit, schnell und präzise auf Veränderungen zu reagieren, ist eine zentrale Stärke der DM‑Hand1. Die Regelung erfolgt in einem hochfrequenten Takt von 300 Bildern pro Sekunde, wobei der Regelkreis nur acht Millisekunden benötigt, um Kraft und Position nachzujustieren. Diese Geschwindigkeit ermöglicht ein sicheres Handling empfindlicher oder rutschiger Objekte. Mit einer Greifkraft von bis zu 14 Newton am Daumen und jeweils 11 Newton an Zeige-, Mittel- und Ringfinger ist die Hand in der Lage, unterschiedlichste Werkstücke sicher zu fixieren. Dabei bleibt sie mit einem Gewicht von lediglich 650 Gramm erstaunlich leicht, was die Integration in bestehende Roboterarme und Teleoperationssysteme erleichtert.

Einsatzgebiete und Chancen für die Praxis
Die DM‑Hand1 ist von Beginn an als modulare Komponente in einem größeren System gedacht, das Teleoperation und KI-basierte Wahrnehmung kombiniert. In der industriellen Fertigung könnte die Hand nicht nur Bauteile montieren, sondern deren Oberflächenqualität prüfen. In Laboren wäre der Einsatz bei sensiblen Proben denkbar, etwa in der Biotechnologie oder Chemie. Ebenso eröffnet sich Potenzial in der Pflege, wenn Roboterassistenzsysteme etwa bei der Handhabung empfindlicher Hilfsmittel unterstützen sollen. Für diese Szenarien ist es entscheidend, dass die Hand mit intelligenten Algorithmen verknüpft werden kann, um Muster zu erkennen oder Aktionen eigenständig vorzubereiten.

Herausforderungen und offene Fragen
Trotz der vielversprechenden Eigenschaften weist die DM‑Hand1 noch einige kritische Punkte auf. Die millimeterdünne Elastomer-Schicht der Sensorhaut unterliegt mechanischem Abrieb, was langfristig die Genauigkeit beeinträchtigen könnte. Staub oder Partikel auf den zu greifenden Objekten können die optische Tasterkennung zusätzlich stören. Bislang fehlen belastbare Daten zur mittleren Betriebsdauer bis zum Ausfall (MTBF), was den Einsatz im Dauerbetrieb erschwert. Ein weiterer Faktor ist die immense Datenmenge, die pro Sekunde verarbeitet wird. Ohne spezialisierte Hardware und optimierte Software sind Echtzeitanwendungen kaum realisierbar. Dies stellt insbesondere kleinere Betriebe vor zusätzliche Hürden bei der Implementierung.

Fazit und Ausblick
Mit der DM‑Hand1 präsentiert Daimon Robotics ein beeindruckendes Beispiel für den Fortschritt in der Robotik. Die Kombination aus taktiler Wahrnehmung, hoher Präzision und Modularität eröffnet Perspektiven, die weit über klassische Industrieanwendungen hinausreichen. Dennoch bleibt abzuwarten, ob sich die Technologie auch unter realen Produktionsbedingungen bewährt. Entscheidend wird sein, ob die Entwickler die Herausforderungen bei Haltbarkeit und Datenverarbeitung lösen können. Für Unternehmen, die frühzeitig auf innovative Automatisierung setzen, bietet die Hand jedoch schon jetzt eine spannende Option, Prozesse zu verbessern und die Interaktion zwischen Mensch und Maschine auf ein neues Niveau zu heben.

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