KI im Basketball: Wie offene Modelle Schiedsrichter-Entscheidungen automatisieren können
Drei Sekunden im Fokus: Wie KI beginnt, den Basketball zu verstehen
Die Schiedsrichterentscheidung ist eine der sensibelsten Stellen im Sport – oft sekundenschnell, unter Druck und mit weitreichenden Konsequenzen. In einem aktuellen Projekt zeigen Piotr Skalski und Alexander Bodner, wie sich ausgewählte Regelverstöße im Basketball mit Hilfe von offenen Computer-Vision-Modulen automatisiert erkennen lassen – präzise, modular und reproduzierbar. Noch handelt es sich nicht um eine vollständige Schiedsrichterersatzlösung, doch der Fortschritt ist beachtlich: Eine konkrete Regel wie die „3-Sekunden-Regel“ wird durch KI in Echtzeit erkannt – und das mit öffentlich zugänglichen Tools. Was steckt hinter dieser Anwendung? Und wie könnte daraus langfristig ein standardisierter KI-Assistent für den Profisport entstehen?
Von der Regel zur Reaktion: Wie die KI die 3-Sekunden-Regel erkennt
Im Fokus des Projekts steht die Umsetzung einer konkreten Regel: Die 3-Sekunden-Regel im Basketball besagt, dass ein Spieler sich nicht länger als drei Sekunden ununterbrochen in der gegnerischen Zone (dem „Paint“) aufhalten darf, während sein Team Ballbesitz hat. Diese Regel korrekt zu bewerten erfordert Aufmerksamkeit, räumliches Verständnis und ein gutes Timing.
Das KI-System arbeitet mit mehreren Modulen, die zusammen ein präzises, regelbasiertes Urteil ermöglichen. Zunächst erfolgt das Spieler-Tracking pro Frame mit Hilfe von SAM2, einem fortschrittlichen Segmentierungsmodell. Parallel wird das Spielfeld über sogenannte Court-Keypoints lokalisiert. Mittels Homographie wird die reale Perspektive auf ein standardisiertes Koordinatensystem projiziert – entscheidend für die räumliche Bewertung.
Für die Positionsbestimmung des Spielers kommt ViTPose++ zum Einsatz, ein Modell zur hochpräzisen Erkennung von Körperhaltungen bis auf Knöchelebene. Ein Timer startet, sobald ein Spieler mit einem Fuß in der Zone steht – und wird zurückgesetzt, sobald der zweite Fuß die Zone verlässt. Bei einer Verweildauer von über drei Sekunden wird automatisch ein Verstoß markiert.
Ein offenes System mit vielfältigem Potenzial
Ein zentraler Aspekt des Projekts ist die vollständige Offenheit der verwendeten Komponenten: Alle Bausteine sind unter Apache-2.0-Lizenz veröffentlicht, und das Setup ist nachvollziehbar dokumentiert. Damit wird ein Gegenmodell zu proprietären Systemen geschaffen – ein offener Werkzeugkasten, der sich leicht anpassen lässt.
Das bedeutet: Das System lässt sich nicht nur auf andere Regeln übertragen, sondern auch auf andere Ligen, Hallenlayouts oder sogar auf andere Sportarten. Damit bietet sich langfristig ein modulares Framework für sportliche Regelüberwachung, das weit über den Basketball hinausgeht. Denkbar wäre beispielsweise die Anwendung auf Abseitsregeln im Fußball, Linienverstöße beim Volleyball oder Zeitüberschreitungen im Handball.
Grenzen und Ausblick: Noch kein Ersatz, aber ein Schritt in die richtige Richtung
Trotz der beachtlichen Fortschritte ist das System noch kein vollständiger Ersatz für menschliche Schiedsrichter. Was derzeit fehlt, sind Funktionen wie Offense-/Defense-Erkennung, Ballbesitz-Logik, die Integration robuster Kameraperspektiven und vor allem eine erklärbare Visualisierung der Entscheidungen – etwa in Form von Overlays für TV-Übertragungen.
Doch das Projekt zeigt bereits, wie maschinelles Regelverständnis in der Praxis aussehen kann. Es ist ein klarer Hinweis darauf, dass KI nicht nur bei der Auswertung von Sportdaten, sondern auch im Regelvollzug eine Rolle spielen kann – als Assistenz, nicht als Konkurrenz.
Fazit: KI als regelbewusste Assistentin im Sport
Das vorgestellte System ist ein beeindruckender Beweis dafür, dass KI in der Lage ist, komplexe, kontextabhängige Regeln zu erkennen und umzusetzen – ganz ohne Black-Box-Magie, sondern auf Basis klarer Module, transparenter Logik und nachvollziehbarer Entscheidungen. Der Weg zur vollständigen Schiedsrichterassistenz ist noch lang, aber die Richtung stimmt. Wer KI im Sport nicht nur als Analysewerkzeug, sondern als regelbewusste Entscheidungsunterstützung denkt, findet hier einen soliden Ausgangspunkt.