KI in der Markenkommunikation: Wenn Werbefilme keine Kameras mehr brauchen

Ein neuer Werbespot für Orangina hat kürzlich Aufsehen erregt – nicht wegen seines Inhalts oder einer besonderen kreativen Wendung, sondern aufgrund seiner Entstehung. Der Clip ist eine Neuinterpretation eines 17 Jahre alten Werbespots aus dem Jahr 2007. Doch das Besondere: Der neue Spot wurde vollständig mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz generiert. Es gab kein Kamerateam, kein Drehbuch im klassischen Sinne, kein physisches Set. Stattdessen entstand der gesamte Spot in der digitalen Welt, orchestriert durch spezialisierte KI-Tools – und das in einer Qualität, die dem Original erstaunlich nahekommt.

Die Tools hinter dem Spot

Zum Einsatz kamen dabei mehrere spezialisierte Systeme: Reve AI war verantwortlich für die Bildkomposition, also für die visuelle Darstellung der Charaktere und Szenen. Kling AI übernahm die Animation und den Schnitt des Videos. Für die Audiospur wurden ElevenLabs und Freesound eingesetzt, zwei Tools, die sich auf Sprachsynthese und Soundeffekte spezialisiert haben. Die musikalische Untermalung kam von Joscho Stephan & Friends, deren Beitrag der digitalen Konstruktion einen menschlich-künstlerischen Akzent verlieh. Die Grundlage für das Skript bildete der ursprüngliche Werbeclip, der nicht verändert, sondern lediglich technisch neu interpretiert wurde.

Dieser Spot zeigt sehr anschaulich, wie stark sich Produktionsprozesse in der Werbebranche gerade verändern. Früher wäre ein solcher Werbespot nur mit einem umfassenden Team, intensiver Planung und erheblichem Budget realisierbar gewesen. Heute hingegen ist es möglich, solche Produktionen fast vollständig in der virtuellen Sphäre abzubilden. Die Bild- und Tonwelten entstehen nicht länger durch aufwendige Logistik und Technik am Set, sondern durch die geschickte Nutzung von KI-Werkzeugen, die auf Grundlage von Trainingsdaten hochrealistische Simulationen erzeugen.

Neue Werkzeuge, alte Fragen

Trotz aller technischen Möglichkeiten bleiben zentrale kreative Elemente weiterhin im menschlichen Einflussbereich. Emotionale Wirkung, kulturelle Anspielungen, dramaturgische Entscheidungen – all das entzieht sich bislang der vollständigen Automatisierung. Die KI liefert Rohmaterial, doch was daraus entsteht, hängt maßgeblich von der konzeptionellen Leistung der Kreativen ab. Der Spot erinnert daran, dass Kreativität nicht durch Technologie ersetzt wird, sondern neue Formen annimmt, wenn die Werkzeuge sich verändern.

Ein wichtiger Aspekt ist auch, dass die neue Technologie nicht automatisch „besser“ ist, sondern andere Stärken besitzt: Geschwindigkeit, Skalierbarkeit, Flexibilität. Diese machen KI-basierte Produktionen besonders attraktiv für digitale Formate, die in kurzen Zyklen produziert und angepasst werden müssen – etwa in sozialen Medien oder im programmatischen Marketing. Hier zählt nicht der perfekte künstlerische Ausdruck, sondern Reaktionsfähigkeit, Wiedererkennbarkeit und Zielgruppenbezug.

Konsequenzen für die Werbebranche

Die Entstehung des Orangina-Spots ist kein Einzelfall, sondern ein Vorbote einer Entwicklung, die in den nächsten Jahren stark an Dynamik gewinnen dürfte. Werbeagenturen, Medienhäuser und Marken stehen vor der Herausforderung, sich in diesem neuen Produktionsökosystem zurechtzufinden. Es braucht technisches Verständnis ebenso wie kreative Flexibilität, um KI-Werkzeuge sinnvoll einzusetzen. Wer heute in der Lage ist, Tools wie Reve AI oder ElevenLabs nicht nur zu bedienen, sondern sie strategisch zu orchestrieren, kann sich einen deutlichen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Doch mit der Technik kommen auch neue Herausforderungen: Wie lässt sich sicherstellen, dass KI-generierte Inhalte nicht beliebig wirken? Wie kann Markenidentität konsistent bleiben, wenn immer mehr Inhalte synthetisch entstehen? Und wie verändert sich das Verhältnis zwischen Marken und Konsument:innen, wenn diese zunehmend mit digital erzeugten Bildern kommunizieren, statt mit realen Produktionswelten?

Eine Zukunft ohne Kameras – und doch nicht ohne Menschen

Was an dem Orangina-Spot besonders auffällt, ist das Spannungsverhältnis zwischen technischer Machbarkeit und kreativer Verantwortung. Es ist faszinierend zu sehen, wie präzise die KI inzwischen Bilder erzeugen, Stimmen synthetisieren und Bewegungen animieren kann. Doch es bleibt ebenso offensichtlich, dass diese Werkzeuge ohne klare inhaltliche Führung beliebig bleiben. Es braucht Menschen, die wissen, was sie erzählen wollen – und warum.

In einer Zeit, in der Aufmerksamkeit eine knappe Ressource ist und Inhalte im Sekundentakt entstehen, liegt der eigentliche Wert nicht allein in der Fähigkeit, etwas zu produzieren. Sondern in der Fähigkeit, die richtigen Werkzeuge zur richtigen Zeit so zu kombinieren, dass eine Botschaft entsteht, die wirkt. Genau das ist die neue Herausforderung für kreative Berufe: nicht nur gestalten, sondern kuratieren, orchestrieren und strategisch einsetzen.

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