Videokonferenzen in 3D: Googles Beam und die nächste Stufe digitaler Zusammenarbeit

Videokonferenzen haben sich in den letzten Jahren vom Notbehelf zur Standardform der geschäftlichen Kommunikation entwickelt. Doch trotz aller Fortschritte wirken viele virtuelle Meetings noch immer flach und distanziert. Genau hier setzt Google mit seinem Projekt Beam an. Ursprünglich unter dem Namen Project Starline entwickelt, verfolgt Beam das Ziel, virtuelle Gespräche so realistisch wie möglich zu gestalten und damit eine neue Qualität der Präsenz zu schaffen. Beam kombiniert mehrere Technologien – von künstlicher Intelligenz über Tiefenkameras bis hin zu hochauflösenden Light-Field-Displays – um Gesprächspartner nicht nur visuell, sondern auch räumlich erlebbar zu machen.

Volumetrisches 3D-Modell und Light-Field-Display
Im Kern der Technologie steht ein volumetrisches 3D-Modell, das in Echtzeit erzeugt wird. Mehrere Tiefenkameras erfassen das Gesicht und den Oberkörper der sprechenden Person aus unterschiedlichen Perspektiven. Künstliche Intelligenz berechnet daraus ein Modell, das Bewegungen und Blickrichtungen millimetergenau überträgt. Auf diese Weise entsteht der Eindruck, als säße ein echter Mensch direkt gegenüber. Unterstützt wird dieser Effekt durch das 65 Zoll große Light-Field-Display mit einer beeindruckenden 8K-Auflösung, das Tiefe und Perspektive so vermittelt, dass der Gesprächspartner plastisch wirkt. Ergänzt wird die visuelle Darstellung durch spatial Audio. Durch die präzise Ortung des Tons wirkt es, als komme die Stimme tatsächlich aus der Position des Gegenübers – ein Detail, das entscheidend zum Gefühl von Präsenz beiträgt.

Dynamischer Blickkontakt und Integration in Plattformen
Ein weiterer Baustein des Systems ist das Echtzeit-Blick- und Kopftracking. Anders als bei klassischen Videokonferenzen bleibt der Blickkontakt dynamisch: Wenn sich der Gesprächspartner nach vorne lehnt oder den Kopf dreht, passt sich die Perspektive automatisch an. Dadurch entsteht eine Kommunikation, die weniger starr wirkt und stärker an ein physisches Gespräch erinnert. Neben der verbesserten nonverbalen Interaktion integriert Google Beam in bekannte Plattformen wie Google Meet, Zoom und Microsoft Teams. Die gesamte Verarbeitung läuft über die Google Cloud und wird durch einen lokal installierten Compute-Puck unterstützt. Das Ziel ist, trotz des enormen Rechenaufwands eine stabile Performance zu gewährleisten. Besonders spannend ist die angekündigte Echtzeit-Sprachübersetzung, die Mimik und Lippenbewegungen synchron wiedergibt. Diese Funktion könnte internationale Teams in Zukunft enger zusammenbringen und Sprachbarrieren deutlich verringern.

Technische Grenzen und Herausforderungen
Die Hardware ist mit rund 25.000 US-Dollar pro Gerät derzeit nur für große Unternehmen finanzierbar. Hinzu kommt, dass Beam nur in speziell eingerichteten Booths funktioniert. Diese müssen optimal ausgeleuchtet und auf bestimmte Abstände eingestellt sein. Erste Tests berichten zudem von technischen Problemen wie Jittereffekten, Abstürzen oder dem Verlust der Blickwinkelstabilität, wenn der Nutzer den „Sweet Spot“ verlässt. Außerdem handelt es sich trotz des realistischen Eindrucks nicht um ein echtes Hologramm. Rückseiten und verdeckte Ansichten fehlen, sodass der Effekt letztlich eine aufwendige Illusion bleibt.

Mögliche Einsatzfelder und ethische Fragen
Die Anwendungsfelder, für die Beam besonders interessant ist, liegen vor allem in Szenarien, in denen Vertrauen, Beziehungspflege oder nonverbale Kommunikation eine wichtige Rolle spielen. Verhandlungen könnten durch die plastische Präsenz persönlicher wirken. In der Telemedizin oder Psychotherapie könnte Beam helfen, emotionale Nähe herzustellen, die bei klassischen Videokonferenzen fehlt. Gleichzeitig wirft diese Entwicklung Fragen auf: Wird der technische Aufwand den Mehrwert rechtfertigen? Wie verändert sich unser Kommunikationsverhalten, wenn wir den Gesprächspartner als 3D-Projektion erleben? Und wie wirkt sich die Abhängigkeit von perfekter Technik auf den Alltag aus?

Auch ethische Überlegungen spielen eine Rolle. Wenn eine so realistische Darstellung möglich ist, stellt sich die Frage nach Manipulation und Authentizität. Könnte das System so programmiert werden, dass es den Eindruck bestimmter Emotionen erzeugt, obwohl sie gar nicht vorhanden sind? Solche Szenarien werden in den kommenden Jahren stärker diskutiert werden müssen.

Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass Beam ein visionäres Beispiel dafür ist, wie Künstliche Intelligenz und 3D-Technologien die digitale Kommunikation verändern können. Aktuell sind Kosten, Installationsaufwand und technische Hürden noch groß. Doch es ist durchaus vorstellbar, dass Beam oder vergleichbare Systeme in einigen Jahren in kompakterer Form auch für kleinere Unternehmen oder Bildungseinrichtungen verfügbar sind.

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