Large Behavior Models: Ein neuer Ansatz für lernfähige Roboter

Vom programmierten Befehl zum adaptiven Verhalten
Die Robotik hat in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht – doch eine zentrale Hürde bleibt: Wie können Roboter nicht nur vorprogrammierte Befehle ausführen, sondern neue Aufgaben ähnlich flexibel wie Menschen erlernen? Das Toyota Research Institute (TRI) hat mit den sogenannten Large Behavior Models (LBMs) einen Ansatz vorgestellt, der genau hier ansetzt. Ziel ist es, Robotern ein dateneffizientes, vielseitiges und reaktionsschnelles Lernen zu ermöglichen. Dabei kommen nicht nur neue algorithmische Ideen, sondern auch umfangreiche Tests an realen Robotern zum Einsatz – ein seltener, aber entscheidender Schritt in einer Disziplin, die häufig stark auf Simulationen angewiesen ist.

Multimodales Lernen als Schlüssel
Ein zentrales Merkmal der LBMs ist ihre multimodale Architektur. Das bedeutet, dass die Modelle gleichzeitig verschiedene Datenquellen verarbeiten: visuelle Eindrücke, Sprachkommandos und propriozeptive Informationen, also Daten über die eigene Körperposition und Bewegung. Diese Kombination erlaubt es den Robotern, Aufgaben im Kontext zu verstehen und entsprechend zu handeln. Anstatt für jede Aufgabe ein eigenes Steuerungssystem zu benötigen, können LBMs mit einem einzigen Modell eine Vielzahl von Tätigkeiten ausführen – vom Greifen eines Objekts bis zum Navigieren in einer komplexen Umgebung.

Technische Neuerungen: Diffusionsmodelle und Receding-Horizon-Steuerung
Ein Unterschied zu klassischen Steuerungsarchitekturen liegt in der Verwendung von Diffusionsmodellen statt herkömmlicher Policy-Netzwerke. Während traditionelle Systeme oft deterministische Bewegungspläne erzeugen, arbeiten LBMs mit Wahrscheinlichkeitsverteilungen, um Bewegungssequenzen zu generieren. Das ermöglicht flexiblere Reaktionen auf unvorhergesehene Situationen. Ergänzt wird dies durch eine sogenannte Receding-Horizon-Steuerung. Dabei plant das System nicht die gesamte Bewegung im Voraus, sondern aktualisiert kontinuierlich den Plan basierend auf neuen Sensordaten. Das macht die Steuerung robust gegenüber Latenzen und erlaubt schnelle Reaktionen – entscheidend für den Einsatz in dynamischen Umgebungen.

Dateneffizienz und empirische Validierung
Ein weiterer Vorteil des Ansatzes ist die reduzierte Datenmenge, die für das Erlernen neuer Aufgaben benötigt wird. Laut TRI lassen sich viele Tätigkeiten mit drei- bis fünfmal weniger Trainingsdaten als bei vergleichbaren Methoden erlernen. Das ist relevant, weil Robotikdaten – anders als Text oder Bilder im Internet – teuer und zeitaufwendig zu erzeugen sind. Besonders bemerkenswert ist, dass TRI seine Modelle nicht nur in virtuellen Simulationen testet, sondern an realen Robotern. In einer empirischen Evaluation wurden 1.800 reale Rollouts in 29 verschiedenen Aufgaben durchgeführt. Diese Tests liefern belastbare Aussagen zur Leistungsfähigkeit der Modelle in praxisnahen Szenarien.

Partnerschaften und Ausblick
TRI arbeitet bei der Umsetzung auch mit Boston Dynamics zusammen, um die LBMs in humanoide Roboter zu integrieren. Diese Partnerschaft könnte den Übergang von Forschungsprototypen zu marktfähigen Anwendungen beschleunigen. Dennoch bleiben Herausforderungen: Offene, chaotische Umgebungen wie belebte Straßen oder unstrukturierte Lagerhallen stellen weiterhin hohe Anforderungen an Wahrnehmung und Entscheidungsfindung. Hier wird sich zeigen, ob die LBMs tatsächlich das Versprechen universeller, adaptiver Robotik einlösen können.

Fazit: Ein Schritt hin zu universell lernfähigen Robotern
Die Large Behavior Models des Toyota Research Institute zeigen, dass Robotik nicht nur von visionären Konzepten lebt, sondern von konkreten technischen Fortschritten, die praxisnah getestet werden. Multimodales Lernen, Diffusionsmodelle und eine dateneffiziente Architektur könnten den Weg zu Robotern ebnen, die mit weniger Daten schneller neue Fähigkeiten erwerben. Der nächste entscheidende Schritt wird darin bestehen, diese Fähigkeiten in realen, unvorhersehbaren Umgebungen unter Beweis zu stellen. Sollte das gelingen, könnte sich das Verhältnis von Mensch und Roboter im Alltag und in der Industrie verändern.

Zurück
Zurück

Chronotrains: Mit einem Blick sehen, wie weit die Bahn trägt

Weiter
Weiter

Airbag mit Schleudersitz für Motorräder – eine vergessene Idee mit Zukunftspotenzial